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SOWI FÜR ALLE

Mit den Leuten reden!

14/4/2020

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In diesem Artikel will ich erläutern, warum Kommunikation unterschätzt wird. Niemand behauptet, dass es immer einfach ist, miteinander zu reden. Dennoch wird Kommunikation oftmals ungünstig durchgeführt oder kommt gar nicht erst zu Stande. Um der (sehr großen) Leserschaft dieses Artikels ein tiefergehendes Verständnis von Kommunikation zu geben, gehe ich im Folgenden auf verschiedene klassische Kommunikationstheorien ein.
 
Der schwäbische Spruch: „Schwätza mit de Leud“ („Mit den Leuten reden“) bedeutet im Kern: bestimmte Dinge hätten vermieden oder erreicht werden können, wenn mit den Zuständigen, den Experten, dem Gegner, dem Partner, dem Gegenüber zielführend oder überhaupt gesprochen worden wäre. Dabei geht es nicht nur darum, „ob“ oder „was“ gesprochen wird, sondern vor allem auch darum „wie“ gesprochen wird. Darauf will ich im Folgenden eingehen.
 
Für Niklas Luhmann (Klassiker der Soziologie) ist die Kommunikation der zentrale Aspekt einer Gesellschaft. Ohne Kommunikation gibt es keine Gesellschaft. Die Kommunikation funktioniert nach Luhmann in drei Schritten: Erstens wählt Person A (Sender) eine Information aus, welche sie mitteilen will. Zweitens wählt A eine Form aus, wie sie die Information mitteilen will (z. B. Sprechen). Drittens muss Person B als Empfänger begreifen, dass es sich um Kommunikation handelt. Dies geschieht durch Verstehen oder Missverstehen der Information von A. Erst dann kommt eine Kommunikation zu Stande. Falls B nicht begreift, dass es sich hier um Kommunikation handelt, kommt keine Kommunikation zu Stande. Deshalb steht in Luhmanns Modell B, als Information empfangende Person, im Mittelpunkt. Der Empfänger ist dafür verantwortlich, ob Kommunikation zu Stande kommt und nicht der Sender.
 
Hier widerspricht Luhmann der Aussage von Paul Watzlawick (prominenter Kommunikationswissenschaftler): „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Für Watzlawick kommunizieren wir ständig, da jede Handlung auch Kommunikation ist und ein Mensch nicht nichts tun kann. Wenn ein Mensch nichts tut (z. B. eine Frage nicht beantwortet), ist dies auch eine Handlung (er zeigt Desinteresse). Zwar ist für Luhmann der Mitteilungsakt auch eine Handlung, dennoch kann auch keine Kommunikation stattfinden, wenn die Handlung nicht als solche durch einen anderen erkannt wird. Bei weiteren Punkten stimmen Luhmann und Watzlawick eher überein. Zum Beispiel bestätigen beide, dass jede Kommunikation eine Information (sachliche Ebene) und einen Beziehungsaspekt (sozialen Aspekt) hat. Also geht es nicht nur darum, was ich sage, sondern auch wem. Bei Luhmann kommt sogar noch ein zeitlicher Aspekt hinzu, also wann ich etwas sage.
 
Nach Luhmann ergeben sich auch verschiedene Kommunikationsbarrieren: Erstens ist eine Mitteilung nicht rückgängig zu machen. Zweitens ist es unklar, ob und wie eine Information verstanden wird. Drittens begreift der Empfänger oftmals nicht, dass es sich um Kommunikation handelt oder will nicht kommunizieren. Diese Barrieren führen dazu, dass Luhmann Kommunikation für unwahrscheinlich hält: „Kommunikation ist unwahrscheinlich. Sie ist unwahrscheinlich, obwohl wir sie jeden Tag erleben, praktizieren und ohne sie nicht leben würden". Für ihn ist eine gelungene Kommunikation ausschließlich an ihrer Anschlussfähigkeit (weitere Kommunikation) zu messen ist. Damit widerspricht er Jürgen Habermas (weiterer Klassiker der Soziologie). Da Habermas die Kommunikation an ihrem Ergebnis misst.
 
Der Kommunikationserfolg ist bei Habermas der Konsens, eine inhaltliche Verständigung der Kommunikationsteilnehmer. Dabei ist der Kommunikationsprozess (Deliberation) zentral, welcher durch folgende Voraussetzungen optimiert werden kann: argumentativer Austausch von Informationen und Begründungen (möglichst rational), jedes Argument muss (in irgendeiner Weise) nachvollziehbar sein, öffentlicher Zugang zur Diskussion mit Beteiligung möglichst vieler, Chancengleichheit zur Teilnahme, das Fehlen von Zwang („ideale Sprechsituation“),  kein zeitlicher Rahmen (ggf. Unterbrechungen), jedes für alle relevante Thema diskutieren, nur Argumente im Einklang mit der Verfassung (Grundrechte).
 
Auch Luhmann hat sich damit befasst, wie die Kommunikation wahrscheinlicher wird. Er stellt Institutionen in den Vordergrund. Unter Institutionen sind hier Sprache (Landessprache aber auch Slang oder Fachsprache) und Medien (insbesondere Massenmedien wie Fernsehen und heute Internet) zu verstehen. Die Massenmedien sind deshalb zentral, weil sie sowohl die eigene, als auch die gesamtgesellschaftliche Informationsbasis und damit Kommunikationsbasis konstituieren. Luhmann geht sogar so weit, zu sagen, dass die Massenmedien den Vorteil haben, dass durch die Technik (Fernseher, Computer) der  Empfänger nicht direkt antworten kann. Dadurch wird die Kommunikation weniger komplex. Zur Wiederholung, Luhmann geht es nicht um die Qualität der Kommunikation, sondern alleine um ihre Anschlussfähigkeit.
 
Zusammenfassend sollte mehr bedacht werden: Was, Wie, Wann, Wo, Warum, mit Wem kommuniziert wird. Aber nicht zwanghaft! Wie Habermas es ausdrückt: „ […] der zwanglose Zwang des besseren Arguments und das Motiv der kooperativen Wahrheitssuche“. Dabei ist vor allem das Wie hervorzuheben, welches auch bei Goethe im Mittelpunkt steht: „Das Was bedenke, noch mehr bedenke Wie“. Hier kann sich an Habermas orientiert werden. Luhmann hilft dabei, zu verstehen wie Kommunikation funktioniert, warum sie unsicher ist und worauf es ankommt. Zusätzlich stellt er den offenen Ausgang eines Verfahrens wie einer Diskussion in den Mittelpunkt, da es sich sonst um ein Ritual handelt. Deshalb sollten wir auch nicht mit einer festgefahrenen Ergebniserwartung in ein Gespräch gehen.
 
Der Kritik, dass dies immer mit einem hohen Aufwand und viel Zeit verbunden ist, kann entgegnet werden, dass durch gelungene Kommunikation wiederum Aufwand und Zeit gespart wird. In erster Linie kann Kommunikation viel Schaden verhindern. Von privaten über geschäftlichen Beziehungen bis zum Risikomanagement von Naturgefahren ist eine funktionierende Kommunikation essentiell. Deshalb ist der neue Leitsatz: Mit den Leuten reden, aber bedenke wie!
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