In diesem Artikel will ich erläutern, warum Kommunikation unterschätzt wird. Niemand behauptet, dass es immer einfach ist, miteinander zu reden. Dennoch wird Kommunikation oftmals ungünstig durchgeführt oder kommt gar nicht erst zu Stande. Um der (sehr großen) Leserschaft dieses Artikels ein tiefergehendes Verständnis von Kommunikation zu geben, gehe ich im Folgenden auf verschiedene klassische Kommunikationstheorien ein. Der schwäbische Spruch: „Schwätza mit de Leud“ („Mit den Leuten reden“) bedeutet im Kern: bestimmte Dinge hätten vermieden oder erreicht werden können, wenn mit den Zuständigen, den Experten, dem Gegner, dem Partner, dem Gegenüber zielführend oder überhaupt gesprochen worden wäre. Dabei geht es nicht nur darum, „ob“ oder „was“ gesprochen wird, sondern vor allem auch darum „wie“ gesprochen wird. Darauf will ich im Folgenden eingehen. Für Niklas Luhmann (Klassiker der Soziologie) ist die Kommunikation der zentrale Aspekt einer Gesellschaft. Ohne Kommunikation gibt es keine Gesellschaft. Die Kommunikation funktioniert nach Luhmann in drei Schritten: Erstens wählt Person A (Sender) eine Information aus, welche sie mitteilen will. Zweitens wählt A eine Form aus, wie sie die Information mitteilen will (z. B. Sprechen). Drittens muss Person B als Empfänger begreifen, dass es sich um Kommunikation handelt. Dies geschieht durch Verstehen oder Missverstehen der Information von A. Erst dann kommt eine Kommunikation zu Stande. Falls B nicht begreift, dass es sich hier um Kommunikation handelt, kommt keine Kommunikation zu Stande. Deshalb steht in Luhmanns Modell B, als Information empfangende Person, im Mittelpunkt. Der Empfänger ist dafür verantwortlich, ob Kommunikation zu Stande kommt und nicht der Sender. Hier widerspricht Luhmann der Aussage von Paul Watzlawick (prominenter Kommunikationswissenschaftler): „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Für Watzlawick kommunizieren wir ständig, da jede Handlung auch Kommunikation ist und ein Mensch nicht nichts tun kann. Wenn ein Mensch nichts tut (z. B. eine Frage nicht beantwortet), ist dies auch eine Handlung (er zeigt Desinteresse). Zwar ist für Luhmann der Mitteilungsakt auch eine Handlung, dennoch kann auch keine Kommunikation stattfinden, wenn die Handlung nicht als solche durch einen anderen erkannt wird. Bei weiteren Punkten stimmen Luhmann und Watzlawick eher überein. Zum Beispiel bestätigen beide, dass jede Kommunikation eine Information (sachliche Ebene) und einen Beziehungsaspekt (sozialen Aspekt) hat. Also geht es nicht nur darum, was ich sage, sondern auch wem. Bei Luhmann kommt sogar noch ein zeitlicher Aspekt hinzu, also wann ich etwas sage. Nach Luhmann ergeben sich auch verschiedene Kommunikationsbarrieren: Erstens ist eine Mitteilung nicht rückgängig zu machen. Zweitens ist es unklar, ob und wie eine Information verstanden wird. Drittens begreift der Empfänger oftmals nicht, dass es sich um Kommunikation handelt oder will nicht kommunizieren. Diese Barrieren führen dazu, dass Luhmann Kommunikation für unwahrscheinlich hält: „Kommunikation ist unwahrscheinlich. Sie ist unwahrscheinlich, obwohl wir sie jeden Tag erleben, praktizieren und ohne sie nicht leben würden". Für ihn ist eine gelungene Kommunikation ausschließlich an ihrer Anschlussfähigkeit (weitere Kommunikation) zu messen ist. Damit widerspricht er Jürgen Habermas (weiterer Klassiker der Soziologie). Da Habermas die Kommunikation an ihrem Ergebnis misst. Der Kommunikationserfolg ist bei Habermas der Konsens, eine inhaltliche Verständigung der Kommunikationsteilnehmer. Dabei ist der Kommunikationsprozess (Deliberation) zentral, welcher durch folgende Voraussetzungen optimiert werden kann: argumentativer Austausch von Informationen und Begründungen (möglichst rational), jedes Argument muss (in irgendeiner Weise) nachvollziehbar sein, öffentlicher Zugang zur Diskussion mit Beteiligung möglichst vieler, Chancengleichheit zur Teilnahme, das Fehlen von Zwang („ideale Sprechsituation“), kein zeitlicher Rahmen (ggf. Unterbrechungen), jedes für alle relevante Thema diskutieren, nur Argumente im Einklang mit der Verfassung (Grundrechte). Auch Luhmann hat sich damit befasst, wie die Kommunikation wahrscheinlicher wird. Er stellt Institutionen in den Vordergrund. Unter Institutionen sind hier Sprache (Landessprache aber auch Slang oder Fachsprache) und Medien (insbesondere Massenmedien wie Fernsehen und heute Internet) zu verstehen. Die Massenmedien sind deshalb zentral, weil sie sowohl die eigene, als auch die gesamtgesellschaftliche Informationsbasis und damit Kommunikationsbasis konstituieren. Luhmann geht sogar so weit, zu sagen, dass die Massenmedien den Vorteil haben, dass durch die Technik (Fernseher, Computer) der Empfänger nicht direkt antworten kann. Dadurch wird die Kommunikation weniger komplex. Zur Wiederholung, Luhmann geht es nicht um die Qualität der Kommunikation, sondern alleine um ihre Anschlussfähigkeit. Zusammenfassend sollte mehr bedacht werden: Was, Wie, Wann, Wo, Warum, mit Wem kommuniziert wird. Aber nicht zwanghaft! Wie Habermas es ausdrückt: „ […] der zwanglose Zwang des besseren Arguments und das Motiv der kooperativen Wahrheitssuche“. Dabei ist vor allem das Wie hervorzuheben, welches auch bei Goethe im Mittelpunkt steht: „Das Was bedenke, noch mehr bedenke Wie“. Hier kann sich an Habermas orientiert werden. Luhmann hilft dabei, zu verstehen wie Kommunikation funktioniert, warum sie unsicher ist und worauf es ankommt. Zusätzlich stellt er den offenen Ausgang eines Verfahrens wie einer Diskussion in den Mittelpunkt, da es sich sonst um ein Ritual handelt. Deshalb sollten wir auch nicht mit einer festgefahrenen Ergebniserwartung in ein Gespräch gehen. Der Kritik, dass dies immer mit einem hohen Aufwand und viel Zeit verbunden ist, kann entgegnet werden, dass durch gelungene Kommunikation wiederum Aufwand und Zeit gespart wird. In erster Linie kann Kommunikation viel Schaden verhindern. Von privaten über geschäftlichen Beziehungen bis zum Risikomanagement von Naturgefahren ist eine funktionierende Kommunikation essentiell. Deshalb ist der neue Leitsatz: Mit den Leuten reden, aber bedenke wie!
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Am 26. Mai 2019 findet in Baden-Württemberg die Kommunal- und die Europawahl statt. Dabei stellt sich wieder die Frage: Warum soll ich wählen gehen? Bei der letzten Wahl dieser Art im Jahr 2014 entschied die Hälfte der Wahlberechtigten, dass es keine überzeugenden Argumente für das Wählen gibt. Deshalb will ich im Folgenden aufzeigen, warum es sich lohnt alle paar Jahre seine Kreuzchen zu machen. Die Forscher, welche von einem nutzenmaximierenden Menschenbild (Homo oeconomicus) ausgehen, sehen das Wählengehen als eine irrationale Handlung. Der „Nutzen“ einer einzelnen Stimme ist geringer, als die „Kosten“ sich zu informieren und zur Wahl zu gehen. Eine einzelne Stimme ist nicht wahlentscheidend (Wählerparadox). Allerdings gibt es Konzepte, welche das Ausdrücken einer persönlichen Präferenz als Nutzen definieren. Zudem befriedigt Wählen das staatsbürgerliche Pflichtgefühl. Hinzu kommt, dass die Kosten des Informierens durch Medien reduziert werden können (https://www.wahl-o-mat.de/). Dennoch ist der individuelle Nutzen des Wählens umstritten. Wer allerdings nur aus Egoismus wählen gehen würde, hat die Idee einer solidarischen Gesellschaft nicht verstanden. Es gibt viele Argumente für das Wählen, wenn die Wahl als kollektive Handlung gesehen wird. Wer nicht wählen geht, stärkt indirekt den Extremismus, da kleinere, teilweise extremistische Randparteien durch eine geringe Wahlbeteiligung an Einfluss gewinnen. Wer nicht wählen geht, lässt andere über sein Wohlergehen entscheiden. Das Wahlergebnis betrifft jeden direkt. Wer nicht wählen geht, um gegen die etablierten Parteien zu protestieren, sollte seine Strategie überdenken, da die Wahl einer anderen Partei im Gegensatz zur Nichtwahl eine tatsächliche Auswirkung hat. Wer wählen geht übernimmt Verantwortung und trägt dazu bei, die Demokratie zu unterstützen, welche kein Selbstläufer ist, sondern gepflegt werden muss. Wer wählen geht, nimmt aktiv Einfluss auf die Politik, besonders bei der Kommunalwahl, bei der die Möglichkeit besteht, Kandidaten zu wählen, welche persönlich bekannt sind und gezielt angesprochen werden können. Aber auch die Wahl des europäischen Parlaments bestimmt das Leben der Europäer, da bis zu 80 Prozent der nationalen Gesetze (je nach Politikfeld) von der EU initiiert werden. Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Robert A. Dahl beschäftigte sich ausführlich mit Demokratiekonzepten. Dabei stellte er fest, dass fast jeder Mensch der beste Richter seines eigenen Wohls ist und kein Mensch so viel besser als alle anderen ist, dass er allein entscheiden könnte. Deshalb muss jeder Mensch, der von einer politischen Entscheidung betroffen ist, die Möglichkeit haben, Einfluss auf diese Entscheidung zu nehmen. Dahl sieht hierfür die Wahl und vor allem die Abwahl der Amtsinhaber durch regelmäßige, faire und freie Wahlen als bestes Mittel und damit wesentliches Kriterium einer Demokratie. Du bist der beste Richter deines eigenen Wohls und kein Mensch kann besser über dein Wohl entscheiden, als du selbst. Darum geh wählen! Viele Menschen können mit dem Begriff Sozialwissenschaften nichts anfangen. Wenn ich erzähle, dass ich Sozialwissenschaftler bin, wird das meist nur nickend zur Kenntnis genommen. Manche sagen dann noch, es sei wichtig, da man Leute braucht, die sich um die Jugendlichen kümmern. Sie denken bei Sozialwissenschaften direkt an soziale Arbeit und an einen Jugendsozialarbeiter. Im Folgenden will ich versuchen die Leserinnen und Leser des Artikels soweit aufzuklären, dass sie beim nächsten Zusammentreffen mit einem Sozialwissenschaftler ungefähr wissen, womit sie es zu tun haben. Ich finde es selbst als Sozialwissenschaftler herausfordernd, die Sozialwissenschaften kurz und treffend zu definieren. Pauschal formuliert, beschäftigen sich die Sozialwissenschaften mit Phänomenen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Hierbei kommen auf der einen Seite verschiedene Theorien, wie die Theorie der rationalen Entscheidung (Rational Choice) zum Einsatz, um Handlungen von Menschen zu untersuchen. Auf der anderen Seite werden die Phänomene durch verschiedene Methoden empirisch untersucht. Empirisch bedeutet hierbei, dass ein Phänomen in der „Realität“ durch beispielsweise Experteninterviews (qualitativ) oder Haushaltsbefragungen (quantitativ) erforscht wird. Nach dieser sehr breit gefassten Definition umfassen die Sozialwissenschaften viele verschiedene Teilgebiete von der Pädagogik über Soziologie, Psychologie, Wirtschaftswissenschaft bis zur Rechtswissenschaft. Demzufolge ist auch das Berufsfeld von Sozialwissenschaftlern schwierig einzugrenzen. Ich bin zum Beispiel momentan in der Risikoforschung tätig und beschäftige mich mit Naturgefahren (v. a. Starkregen) und ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft. Hierbei benutze ich auch Experteninterviews und Haushaltsbefragungen, um die Auswirkungen der Naturgefahren in der „Realität“ zu untersuchen. Im Endeffekt könnte ich also auch ein Jugendsozialarbeiter sein, wenn ich mich als Sozialwissenschaftler vorstelle. Bin ich aber nicht. Ich habe an der Universität Stuttgart Sozialwissenschaften studiert. Hierbei standen vor allem Politikwissenschaft, Soziologie, die sozialwissenschaftliche Methodenlehre und Statistik im Mittelpunkt. Um Missverständnisse zu vermeiden, müsste ich mich demnach als Soziologe und Politikwissenschaftler mit sozialwissenschaftlichen und statistischen Methodenfähigkeiten bezeichnen. Nichtsdestotrotz können auch viele mit dieser Beschreibung nicht viel anfangen, sie dauert lange und hört sich kompliziert an. Deshalb nenne ich mich weiter Sozialwissenschaftler. Die politische Partizipation der Bürger eines Staates ist notwendig für eine funktionierende Demokratie. Wenn die Macht vom Volk ausgehen soll, muss das Volk seine Rolle als Machthaber auch wahrnehmen. Der niederländische Politikwissenschaftler Jan van Deth bringt diese Aussage auf den Punkt: „Wer Demokratie sagt, meint Partizipation“. Um Ungleichgewichte zu vermeiden, ist es wichtig, dass sich Personen aus allen Bevölkerungsschichten engagieren. Leider zeigt die Partizipationsforschung, dass vor allem bessergestellte Bürger an der Politik partizipieren. Durch die fehlende Teilnahme der Unterschicht entwickelt sich eine Art Teufelskreis, da ihre Interessen oftmals vernachlässigt werden, was wiederum ihre Motivation zur politischen Teilnahme senkt. Es gilt also herauszufinden, wie hoch der Einfluss von Bildung, Einkommen und Berufsprestige, zusammengefasst als sozioökonomischer Status, auf die politische Partizipation ist. Dieser Einfluss kann durch die Betrachtung der politischen Beteiligung und des sozioökonomischen Status eines Bürgers gemessen werden. Die Berechnung von verschiedenen unabhängigen Einflüssen (sozioökonomischer Status + Kontrollvariablen wie Alter, Geschlecht etc.) auf eine bestimmte abhängige Größe (politische Partizipation) heißt Multivariate Regression. Dabei wird die politische Beteiligung durch Wahlbeteiligung, Diskussionsteilnahme, Mitarbeit in Bürgerinitiativen, Mitarbeit in Parteien, Teilnahme an Demonstrationen, Teilnahme an Unterschriftensammlung, kritischem Konsum und der Teilnahme an Onlineprotestaktionen gemessen. Je mehr Beteiligungsformen genutzt wurden, desto aktiver ist die Person. Der sozioökonomische Status wird durch den allgemeinen Schulabschluss, das Haushaltseinkommen und das Berufsprestige (wie ist der Beruf in der Gesellschaft angesehen) einer Person bestimmt. Die Untersuchung ergibt, das Geld, Bildung und Beruf deutliche Auswirkungen auf die politische Aktivität einer Person haben. Diese Auswirkungen werden zwar durch das politische Interesse, Zufriedenheit mit der BRD, Politikgespräche mit Freunden und Kirchgangshäufigkeit geschmälert, sie sind jedoch nach wie vor mäßig stark. In den Sozialwissenschaften sind selten sehr starke Zusammenhänge zu finden, da das Handeln der Menschen nicht determiniert ist. Deshalb gilt ein mäßig starker Zusammenhang, welcher hier vorliegt, als ein handfestes Zeichen. Die Analyse zeigt zusätzlich; Bildung, Einkommen und Berufsprestige sind in der Gesellschaft ungleich verteilt. Diese Faktoren haben gleichzeitig den größten Einfluss auf die politische Partizipation. Die Unterschicht nimmt nur wenig teil, da den meisten Personen die Anforderungen zu hoch sind. Dadurch wird die Politik von weniger Bürgern aus der Unterschicht repräsentiert. Hierbei lässt sich auf einen negativen Effekt des Politikoutcomes (politische Entscheidungen) für die Unterschicht schließen. Was im Endeffekt wieder zu weniger Partizipation der Unterschicht führt. Es lässt sich nicht bestreiten, dass auch Politiker aus der Oberschicht Entscheidung treffen, welche der Unterschicht zugutekommen. Zuerst muss jedoch die eigene Wählerschaft, wovon der Großteil viel Geld und eine hohe Bildung besitzt, bedient werden. Dies wird den Parteien auch von Experten geraten. Deshalb wird in erster Linie Politik für die sogenannten Eliten der Gesellschaft gemacht. Nichtsdestotrotz gibt es auch Politiker und partizipierende Bürger mit niedrigem sozioökonomischem Status. Um jedoch dem Anspruch der Demokratie, Politik für die ganze Bevölkerung zu machen, gerecht zu werden, müssen mehr Menschen aus der Unterschicht partizipieren. Dies könnte durch eine Senkung der Anforderungen und Barrieren erreicht werden. Die „einfachste“ Möglichkeit ist allerdings eine gerechtere Verteilung von Bildung, Einkommen und Berufsprestige in der Gesellschaft. Dadurch würden sich automatisch mehr Bürger beteiligen. Abgesehen von der Hauptfrage dieses Artikels, lässt sich erkennen, dass nur wenige Bürger ihre „Patizipationspflicht“ wahrnehmen. Zwar ist es diskutabel, ab wann eine Person sich genug engagiert hat. Ein Durchschnitt von ca. zwei Partizipationsformen ist allerdings niedrig, wenn man bedenkt, dass dieser schon durch die Teilnahme an einer Wahl und einer Diskussion erreicht ist. Warum handeln Menschen nicht umweltfreundlich, obwohl ihnen der Umweltschutz persönlich wichtig ist?30/5/2018
Die Bekämpfung des Klimawandels und seinen Folgen steht nach wie vor ganz oben auf der To-do-Liste der internationalen Politik. Obwohl Google beim eintippen des Wortes Klimawandel das Wort Lüge als Ergänzung vorschlägt, sagen 96 Prozent der Europäer, dass ihnen der Umweltschutz persönlich wichtig ist. Dies geht aus einer Umfrage im Auftrag der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2008 hervor. Folgewidrig verhalten sich trotz umweltfreundlicher Einstellung nur wenige Personen umweltschonend. Die meisten Europäer haben wenige Maßnahmen ergriffen (64%), einige taten gar nichts (9%) und nur sehr wenige Personen verhielten sich umweltpragmatisch (3%, 7-9 umweltschonende Maßnahmen im Monat). Der größte Unterschied entsteht bei Verhalten, welches unmittelbar mit der Veränderung des Lebensstils und der Konsumgewohnheiten zusammenhängt (z.B. weniger Benutzung des eigenen Autos). Um die breite Masse von umweltschonendem Verhalten zu überzeugen, muss untersucht werden, wodurch es gehemmt wird. Die Forschung über den Unterschied und Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten hat eine lange sozialwissenschaftliche Tradition. Der Grund warum die umweltfreundliche Einstellung nicht direkt zu umweltschonendem Verhalten führt, ist die „Kostenträchtigkeit“ von vielen umweltschonenden Aktivitäten. Der Verzicht auf ein eigenes Auto schreckt viele Personen ab, auch wenn der Wille zur Verbesserung der Umwelt vorhanden ist. Hierbei stehen nicht die finanziellen Kosten, sondern der Verzicht auf Komfort und ein Prestigeverlust im Vordergrund. Solange das eigene Auto vor allem im süddeutschen Raum als Heiligtum kulturell verankert ist, können sich Carsharingangebote trotz ihres finanziellen Vorteils oftmals nicht durchsetzen. Vielerorts werden Personen immer noch belächelt, wenn sie ein Elektroauto fahren. Nicht einmal der externe Anreiz von Steuervergünstigungen kann dort Abhilfe schaffen. Diese negative Sanktionierung (Bestrafung) als Verhaltenskonsequenz bedingt eine geringere Bereitschaft umweltschonend zu handeln. Zusätzlich führt ein Mangel an alltagstauglichen umweltschonenden Verhaltensalternativen zu einer Erhöhung der Verhaltensanforderungen. Durch infrastrukturelle und politische Rahmenbedingungen könnten sie gesenkt werden. Des Weiteren spielt die Bildung eine wichtige Rolle. Zwar streitet sich die Wissenschaft in welchem Maße sich Wissen auf die Einstellung oder das Verhalten auswirkt. Fest steht jedoch; dass eine umweltfreundliche Einstellung in Zusammenhang mit dem Wissen über alltagstaugliche Alternativen zu mehr umweltschonendem Verhalten führt. Natürlich ist die Umwelteinstellung nicht der einzige Faktor für umweltrelevantes Verhalten (dies zeigt auch das Action-Value Gap). Hervorzuheben ist, dass der größte Einfluss das Zusammenwirken von internen Faktoren (Einstellung, Werte, Emotionen) und externen Faktoren (Soziales, Ökonomie, Politik und Kultur) darstellt. Zugleich ist die größte Barriere das Verfallen in alte Muster. Dieser Faktor wurde in der Literatur häufig ignoriert. Das Umsteigen auf umweltschonendere Handlungsalternativen muss den Menschen also so einfach und „billig“ wie möglich gemacht werden, damit die alten Muster durchbrochen werden können. Somit ist ein wichtiger Weg um konstant umweltschonendes Verhalten innerhalb einer Gesellschaft zu etablieren: die Entwicklung einer kulturellen Selbstverständlichkeit. Diese kann zum Beispiel durch Integration umweltschonender Alternativen in die Sozialisation (Erziehung) erreicht werden. Wer als Kind schon gelernt hat, dass das Fahrradfahren Spaß machen kann und umweltfreundlich ist, der wird wahrscheinlich auch als Erwachsener öfter mit dem Rad statt mit dem Auto zum Bäcker um die Ecke fahren. Fast jeder hat sich ab einem gewissen Alter schon die Frage gestellt: Gefällt es mir besser in einer Großstadt oder auf dem Land? Ein Quiz in der Zeitschrift Brigitte soll einem diese Frage erleichtern. Dazu muss nur beantwortet werden, wie die Teilnehmerin in einer gewissen Situation reagieren würde, je nach Punktzahl wird dann der ländliche oder städtische Typ festgestellt. Außerdem gibt es eine Diskussion bei Spiegel Online, wobei in über 400 Kommentaren diese Frage erörtert wird. Während die Diskussion bei Spiegel Online in einem sehr aggressiven Ton geführt wird und sich ein Grabenkampf zwischen „Städtern“ und „Ländlern“ entwickelt, werde ich versuchen die Frage etwas wissenschaftlicher anzugehen. Allerdings zeichnet sich schon in der Diskussion ab, dass es im Endeffekt auf die persönlichen Vorlieben ankommt, nicht auf allgemeine Vor- und-Nachteile des Wohnortes. Allgemein können die Menschen in Deutschland als „Well-Beings“ bezeichnet werden. Dies bedeutet, dass sie gute objektive Lebensbedingungen und ein gutes subjektives Wohlbefinden haben. Die verschiedenen Defizite, wie eine höhere Kriminalitätsrate oder eine schlechtere wirtschaftliche Lage in Teilen von Deutschland, beeinflusst die Lebenszufriedenheit nicht negativ genug, um von Deprivation zu sprechen. Deprivation bedeutet, dass jemand schlechte Bedingungen und ein schlechtes Wohlbefinden hat. Des Weiteren ist der Unterschied zwischen objektiven Lebensbedingungen und subjektivem Wohlbefinden nicht groß genug um die hohe Lebensqualität der Bevölkerung als Zufriedenheitsparadox zu bezeichnen. Das Zufriedenheitsparadox bedeutet, dass jemand schlechte Bedingungen hat und seine Lage dennoch positiv bewertet. Andererseits haben sich die Menschen an gewisse Missstände gewöhnt. Die genauere Untersuchung zeigt, dass sich die verschiedenen Indikatoren (Einflüsse) gegenseitig relativieren und je nach individuellem Vorrang andere Einflüsse für die Lebensqualität entscheidend sind. Zwar habe ich verschiedene Hypothesen (Fragen) mit Blick auf die tatsächlichen Unterschiede in der Lebensqualität (Umwelt, Arbeit, Freizeit- und Kultur, Bildung, Gesundheit, Kriminalität) zwischen dem städtischen und ländlichen Bereich untersucht und trotzdem gibt es keine allgemeinen Unterschiede in der Lebenszufriedenheit. Es kommt vielmehr auf den Menschen persönlich an, ob er sehr naturverbunden ist oder ein großes Kultur- und Freizeitangebot will. Mit den negativen Seiten, wie der erhöhten Kriminalitätsrate im städtischen Bereich oder dem Fehlen der Kultur- und Freizeitangebote im ländlichen Bereich, finden sich die Menschen zurecht oder kompensieren sie durch andere Vorteile. Auch andere Wissenschaftler bestätigen diese Annahme, laut ihnen werden die Unterschiede zwischen Stadt und Land bewusst abgewogen und in Kauf genommen. Zudem ist es der Politik gelungen, zumindest im Süden Deutschlands den Menschen im ländlichen und städtischen Bereich vergleichbare Lebensbedingungen zu gewährleisten. Die komplette Analyse und der Vergleich der Lebensqualität im ländlichen und städtischen Bereich in Deutschland gibt es unter diesem Link: https://www.grin.com/document/298654 Zudem hat sich DIE ZEIT auf einer interaktiven Website mit dem Thema befasst: https://www.zeit.de/feature/deutsche-bevoelkerung-stadt-land-unterschiede-vorurteile |
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Mai 2019
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